Acorus

Kalmus, Kalmusgewächs, Acoraceae

Gattung:

Acorus ist die einzige Gattung der Familie der Kalmusgewächse und auch der Ordnung Acorales und steht innerhalb der Einkeimblättrigen Pflanzen isoliert. Die 2 Arten (Kew 2022) zählende Gattung wurde früher den Aronstabgewächsen zugerechnet, doch unterscheiden sie sich auch molekularbiologisch deutlich von diesen (Düll & Kutzelnigg 2022). Die Kalmusgewächse haben sich entwicklungsgeschichtlich zu einem sehr frühen Zeitpunkt von den übrigen Einkeimblättrigen getrennt und stehen heute isoliert da (Wachsmuth 2023).
 

Acorus calamus

Arznei-Kalmus,
Acorus calamus  
Kalmusgewächs, Acoraceae

 

Steckbrief:

50–120 cm hohe, aromatisch riechende Staude mit kriechendem Rhizom. Stängel dreikantig, zweizeilig beblättert. Blätter lineal, steif aufrecht, 0,5–2 cm breit. Blütenstand ein scheinbar seitenständiger, 5–8 cm langer, walzlicher, oft gebogener Kolben, aus kleinen, zwittrigen Blüten bestehend. Perigonblätter gelbgrün, kapuzenförmig, weniger als 1 mm lang. Die Spatha bildet die Verlängerung des Stängels. Früchte reifen im Gebiet nicht aus. Blütezeit Juni.
Verwechslungsmöglichkeit: Der Grasblatt-Kalmus, Acorus gramineus, unterscheidet sich durch eine Wuchshöhe von höchstens 50 cm und Blättern, die überhängen und 0,4–1 cm breit sind.
 

 

 

 


 

Heimat:

Asien und Nordamerika. Von der Art sind drei Chromosomenrassen bekannt. In Europa nur triploide, in Asien und Amerika diploide und in Ostasien tetraploide (Jäger & al. 2008). Die europäischen Vorkommen von A. calamus sind durch Hybridisierung diploider (2×n) mit tetraploider (4×n) Formen entstanden und dadurch triploid (3×n) (Düll & Kutzelnigg 2022).
 

Nutzung:

Arznei- und Zierpflanze, früher auch als Likör- und Parfümzusatz verwendet. Auch heute noch werden die zerkleinerten Rhizome in Alkohol angesetzt und vielfach als Hausmittel, z.B. bei Magenverstimmungen, genutzt (Schröck & al. 2004). Das Kauen der Wurzel soll stimmungsaufhellend sein und in höherer Dosis leichte Halluzinationen verursachen, wofür die enthaltenen Asarone verantwortlich gemacht werden. Der Wurzel und den darin enthaltenen Inhaltsstoffen werden auch aphrodisierende Eigenschaften zugeschrieben. Diese sollen allerdings auch mutagen, karzinogen und reproduktionstoxisch wirken (Qin & al. 2010). Aus der Pflanze wird ein nach Orangen riechendes ätherisches Öl hergestellt. Die Blätter dienten früher zum Dichten von Weinfässern (Düll & Kutzelnigg 2022). Im Pflanzenhandel findet sich auch die Sorte `Variegatus´ mit panaschierten Blättern, die im englischsprachigen Raum verwirrenderweise auch `Argenteostriatus´ genannt wird, einer Sortenbezeichnung, die zu A. gramineus gehörig ist (Wachsmuth 2023).

Ausbreitung: 

Südostasiatische Art. Etwa im Jahr 1550 aus Indien über die Türkei nach Europa und etwa 1576 nach Wien ins Gebiet gekommen, wo sie bereits Lobelius und Clusius erwähnen. 1579 wurde Kalmus erstmals in Deutschland kultiviert. Clusius war es offenbar auch, der wesentlich an der frühen Ausbreitung der Pflanze beteiligt war, indem er sie unter seinen Kollegen bekannt machte und voraussagte, dass der Kalmus nun bei allen Liebhabern der Pflanzenkultur „äußerst gemein würde“ (Wein 1939–1942). In der Stadt Salzburg seit 1783 im Botanischen Garten kultiviert bekannt (Braune 1797). Bereits 1797 im Gebiet des Zeller Sees in Salzburg verwildert festgestellt (Braune 1797). Gegenwärtig in großen Teilen Europas eingebürgert und sich in naturnahe Pflanzengesellschaften heimischer Arten einfügend. Obwohl ein Neophyt, ist der Kalmus in Oberösterreich gesetzlich geschützt (Hohla & al. 2009). Die bei uns vorkommende Sippe ist triploid und daher steril. Sie vermehrt sich in Mitteleuropa ausschließlich vegetativ. In Amerika wesentlich zur Ausbreitung trägt die Bisamratte bei, welche die Rhizome frisst, Vorräte anlegt und durch vergessene Verstecke für die Ausbreitung sorgt (Düll & Kutzelnigg 2022).
Über den Status von Acorus calamus als indigene oder eingebürgerte Pflanzenart waren sich einzelne frühere Autoren nicht sicher. Aufgrund der großen Bestände, die in den Sümpfen etwa des Oberpinzgaues „ganze Flächen“ (Sauter 1863) bedeckten, hielten sie ihn für „gewiss nicht verwildert", was Sauter später auf „wohl kaum verwildert" abschwächte. Da der Kalmus als Gewürz- und Arzneipflanze sowie in der Homöopathie Verwendung fand, wurde er wahrscheinlich schon früh aktiv verbreitet.
DEUTSCHLAND:
In allen Bundesländern eingebürgert. Der erste konkrete Nachweis für Bayern erfolgte um 1790 (Meierott & al. 2024).
ÖSTERREICH:
In allen Bundesländern (Glaser & al. 2025), aber selten. Der Erstnachweis für Österreich erfolgte 1797 (Braune 1797).
SCHWEIZ:
Vielfach, vor allem im Mittelland und im Jura, so etwa als Kulturrelikt in Engeriet, Zürichhorn und Limmattal in Zürich (Landolt 2001). Um das Jahr 1900 wuchs die Art im Kanton Zürich in 16 Quadranten, vor allem im Gebiet Türlersee, Zürichsee und im Glatttal. Nach einer stabilen Phase nahm die Art gegen Ende des 20. Jahrhunderts stark ab. Am Zürichsee verschwanden alle Vorkommen (Wohlgemuth & al. 2020).
ANDERE LÄNDER:
Subspontan u.a. auch in Norwegen (Gederaas & al. 2012), den Niederlanden (FLORON 2021), in Frankreich (INPN 2021), in Italien (Galasso & al. 2024), seit 1679 in Tschechien (Pyšek & al. 2012) und seit zumindest 1830 in der Slowakei (Medvecká & al. 2012).

Weitere Art:

Acorus gramineus

Der aus Südost-Asien stammende Grasblatt-Kalmus, Acorus gramineus, wird in seiner Heimat in der dortigen traditionellen Medizin wie der Echte Kalmus genutzt. Der deutsche Arzt und Forschungsreisende Philipp Franz von Siebold (1796−1866) berichtete um 1830 nach seinem Aufenthalt in Japan, dass es dort 17 verschiedene Acorus-Formen geben soll. Einige sind von ihm nach Europa gebracht worden, so `Pusillus´ mit einer Wuchshöhe von gerade mal 5−10 cm. 1845 brachte Siebold `Albovariegatus´ mit grün-weiß gestreiften Blättern nach Europa. `Ogon´ mit grün-gelb panaschierten Blättern kam 1975 vom nordamerikanischen Pflanzensammler Barry Yinger in die westliche Welt, wo sie gegenwärtig häufig als Zierpflanze Verwendung findet. Im heimischen Pflanzenhandel findet sich der Grasblatt-Kalmus besonders spät im Jahr als „Herbstzauber“ im Verkauf. `Licorice´, der „Lakritz-Kalmus“ tanzt dabei aus der Reihe, weil er als nach Anis duftende Würzpflanze eingesetzt wird. `Licorice´ war ein Import Botanischer Gärten und wurde von der nordamerikanischen Gärtnerei Plant Delights Nursery 1997 benannt, von wo aus sie nach Europa gelangte (Wachsmuth 2023).
In Mitteleuropa gelegentlich subspontan, so 2007 auf einer Grüngutdeponie am Friedhof Bamberg in Bayern (Meierott 2008) und in Feuchtwiesen bei Ober- und Unter-Danegg in der Buckligen Welt und bei Neunkirchen in Niederösterreich (Janchen 1977, Glaser & al. 2025).

 

Quellen:

Braune F. A .(1797) : Salzburgische Flora oder Beschreibung der in dem Erzstifte Salzburg wildwachsenden Pflanzen. Band 1-3. — Verlag der Mayrischen Buchhandlung, Salzburg. Band I: 426 S. Band II: 836 S. Band III: 380 S.

Düll R. & H. Kutzelnigg (2022): Die Wild- und Nutzpflanzen Deutschlands. 9. erw. Aufl. – Wiebelsheim. 948 S.

FLORON (2021): Floron Verspreidingsatlas Vaatplanten – www.verspreidingsatlas.nl

Galasso G., F. Conti, L. Peruzzi, A. Alessandrini, N. M. G. Ardenghi, G. Bacchetta, E. Banfi, G. Barberis, L. Bernardo, D. Bouvet, M. Bovio, M. Castello, L. Cecchi, E. Del Guacchio, G. Domina, S. Fascetti, L. Gallo, R. Guarino, L. Gubellini A. Guiggi, N. Hofmann, M. Iberite , P. Jiménez-Mejíase, D. Longo, D. Marchetti, F. Martini, R. R. Masin, P. Medagli, C. M. Musarella , S. Peccenini, L. Podda, F. Prosser, F. Roma-Marzio, L. Rosati, A. Santangelo, A. Scoppola, A. Selvaggi, F. Selvi, A. Soldano, A. Stinca, R. P. Wagensommer, T. Wilhalm & F. Bartolucci (2024): A second update to the checklist of the vascular flora alien to Italy – Plant Biosystems 158: 297-340.

Gederaas L., Loennechen Moen T., Skjelseth S. & Larsen L.-K. (2012): Alien species in Norway, with the Norwegian Black List - http://www.scales-project.net/NPDOCS/
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Glaser M., C. Gilli, N. Griebl, M. Hohla, G. Pflugbeil, O. Stöhr, P. Pilsl, L. Ehrendorfer-Schratt, H. Niklfeld & F. Essl (2025): Checklist of Austrian neophytes (2nd edition) – Preslia 97: 413−539.


Hohla M., Stöhr O., Brandstätter G., Danner J., Diewald W., Essl F., Fiederer H., Grims F., Höglinger F., Kleesadl G., Kraml A.G., Lenglachner F., Lugmair A., Nadler K., Niklfeld H., Schmalzer A., Schratt-Ehrendorfer L., Schröck C., Strauch M. & Wittmann H. (2009): Katalog und Rote Liste der Gefäßpflanzen Oberösterreichs. – Stapfia 91: 1–324.

INPN (2021): Inventaire National du Patrimoine Naturel – plants in french territories - https://inpn.mnhn.fr

Jäger E. J., Ebel F., Hanelt P. & Müller G. K. (2008): In: Rothmaler, Exkursionsflora von Deutschland, Band 5, Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Spektrum, 874 S.

Janchen E. (1977): Flora von Wien Niederösterreich und Nordburgenland. — Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien 2. Aufl. 757 S.



Jelitto L., Schacht W. & Feßler A. (1990): Die Freiland-Schmuckstauden – Ulmer Verlag Stuttgart, 4. Aufl. 683 S.

Kew (2022): Kew science – Plants of the World Online - Plants of the World Online | Kew Science

Landolt E. (2001): Flora der Stadt Zürich (1984–1998) Band 1 – Springer Verlag Basel. 711 S.

Medvecká J., Kliment J., Májeková J., Halada Ľ., Zaliberová M., Gojdičová E., Feráková V. & Jarolímek J. (2012): Inventory of the alien flora of Slovakia. – Preslia 84: 257–309.

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Meierott L., Fleischmann A., Klotz J., Ruff M. & W. Lippert (2024): Flora von Bayern – Haupt Verlag, Bern, 4 Bände.

Pyšek P., Danihelka J., Sádlo J., Chrtek J. jr., Chytrý M., Jarošík V., Kaplan Z., Krahulec F., Moravcová L., Pergl J., Štajerová K. & Tichý L. (2012): Catalogue of alien plants of the Czech Re­public (2nd edition): checklist update, taxonomic diversity and invasion patterns. – Preslia 84: 155–255.

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Sauter A. (1863): Die Vegetationsverhältnisse des Pinzgaues im Herzogthume Salzburg. - Mitt. Ges. Salzbg. Landesk. 3: 20-116.

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Wohlgemuth T., Del Fabbro C., Keel A., Kessler M. & M. Nobis (2020): Flora des Kantons Zürich. Zürcherische Botanische Gesellschaft. Haupt-Verlag, Bern.