Abutilon

Samtpappel, Malvengewächs, Malvaceae

Gattung:

Abutilon umfasst etwa 177 Arten (Kew 2022) in den Tropen und Subtropen.

Abutilon theophrasti

Samtpappel, Abutilon theophrasti
(Syn.: A. avicennae)
Malvengewächs, Malvaceae

Steckbrief: 

50–150 cm hohe Einjährige mit aufrechtem Stängel und 5–15 cm lang gestielten Blättern. Blattspreite 7–20 cm lang, rundlich, lang zugespitzt, gezähnt, am Grund tief herzförmig. Blüten in ein- bis wenigblütigen Zymen in den Achseln der oberen Stängelblätter. Kronblätter 7–13 mm lang, gelb. Frucht 1,5–2 cm lang, 2–3 cm breit, den Kelch deutlich überragend, sich in 10–15 mehrsamige Bälge zerteilend, erst grün, dann schwarz. Jeder Balg mit einem Paar 3–5 mm langer, krallenförmiger Schnäbel. Blütezeit Juli bis September.
 

 

 

 

Name:

Benannt zu Ehren des griechischen Philosophen und Naturforschers Theophrastos von Eresos (371–287 v. Chr.). Theophrast, eigentlich Tyrtamos von Eresos folgte zunächst Platon, dann Aristoteles und übernahm nach dessen Tod die Philosophieschule, befasste sich, wohl wegen akuten Holzmangels, auch mit der Botanik und insbesondere mit der Dendrologie. Er verwendete schon ein 'binäres System' und überlieferte durch seine Schriften viele antike Pflanzennamen. Theodorus Gaza übersetzte seine Werke ins Lateinische (Burkhardt 2018).
 

Nutzung: 

Selten als Zier- und Gemüsepflanze oder für die Floristik kultiviert (Oberdorfer 1994, Pignatti 1982). Früher auch als Faser- und Ölpflanze (Haensel 2005). Der Nektar ist vor allem für Hummeln und Honigbienen interessant, der Pollen für Honigbienen und einige ubiquitäre Hummeln.

Ausbreitung: 

Zentral- und südasiatische Art, wobei die genaue Herkunft aufgrund ihrer langen Kultur nicht bekannt ist. Als Ursprungsgebiet wird das ostafghanisch-südturkestanische Bergland vermutet (Viehweger 2010).
In China als Faserpflanze seit mindestens 4000 Jahren gebaut und als Kulturpflanze über das südliche Russland und Südosteuropa bis ins westliche Mittelmeergebiet verbreitet (Warwick & Black 1988). Kam Anfang des 16. Jahrhunderts als Zier- und Heilpflanze ins Gebiet und wird 1542 erstmals aus dem Schallerschen Garten in Nürnberg genannt (Krausch 2003). Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war die Samtpappel eine häufige Gartenpflanze, verlor dann aber als Arzneipflanze an Bedeutung und wurde als Zierpflanze von schöner blühenden Arten abgelöst. Die großflächige Verbreitung in Mitteleuropa seit etwa der Jahrtausendwende geht möglicherweise auf verunreinigtes Ölrettich- und Senfsaatgut aus Südosteuropa und über Stallmistdüngung nach der Verfütterung von Soja- und Maisschrot aus betroffenen Gebieten zurück (Meinlschmidt 2005). Auch als Vogelfutterpflanze wird die Art verbreitet, weshalb sie in Gärten gerne in der Nähe von Vogelhäusern zu finden ist (Hohla & al. 2009). Gegenwärtig hat sich die Samtpappel vor allem in Rübenäckern durchgesetzt (Viehweger 2010) und findet sich im Gebiet mit Verbreitungsschwerpunkten in Sachsen, Niedersachsen, Berlin, Hamburg, dem Oberrheingebiet, im pannonischen Gebiet Österreichs, im Schweizer Mittelland und im südlichen Tessin.
Als Ackerunkraut spielte die Art früher kaum eine Rolle. Erst Ende der 1980er-Jahre breitete sich die wärmebedürftige Art verstärkt aus und griff auch ins Ackerland über, so vor allem in Mais, Zuckerrüben und Gemüsekulturen, wo sie als starkzehrende Art für Kulturpflanzen problematisch werden kann. Sie wurde lokal zum Problemunkraut, denn sie hat viele Merkmale eines "idealen" Unkrauts und Invasoren: eine lange und ungleichmäßige Keimung, eine kontinuierliche und hohe Samenproduktion und eine hohe Konkurrenzkraft gegenüber der Kulturpflanze (Follak 2008).
DEUTSCHLAND:
Weit verbreitet und weiter in Ausbreitung begriffen (Glauninger 1999, Mazomeit 2001). Der Erstnachweis für Bayern erfolgte 1977 in Regensburg (Meierott & al. 2024).
ÖSTERREICH:
Gegenwärtig in Österreich in allen Bundesländern, so 1973 bei Klagenfurt in Kärnten (Leute 1973), 1974 nahe St. Marein bei Graz und 1976 bei Oberwölz in der Steiermark (Maurer 1974, Melzer 1977) und 1985 bei Rabenberg in Oberösterreich festgestellt (Follak & al. 2017). Seit 2011 auch in Vorarlberg nachgewiesen (Grabher 2017), auch in Osttirol (Glaser & al. 2025). Im pannonischen Raum und in der Südost-Steiermark in Einbürgerung begriffen (Melzer 2004). Der Erstnachweis für Österreich erfolgte 1874 (Höhnel 1876, Glaser & al. 2025). In Südtirol u. a. bei St. Lorenz nahe Neumarkt.
SCHWEIZ:
Vor allem im Mittelland und im südlichen Tessin (Infoflora 2024), so etwa auf Schotterbänken der Ergolz, auf kiesigem Vorland des Violenbachs in Giebenach und in Bennwil im Oberbaselbiet im Kanton Basel-Landschaft (Lüthi 2018) und in den Kantonen Aargau, Bern, Genf, Jura, Luzern, Schwyz, Solothurn, St. Gallen, Uri, Waadt, Wallis und Zürich (Infoflora 2024). Im Kanton Zürich bis 1930 in Zürich-Stadt und Wädenswil registriert, ab dem Jahr 2000 in 6 % der Quadranten (Wohlgemuth & al. 2020).
ANDERE LÄNDER:
Subspontan u.a. auch in Norwegen seit 1940 (Gederaas & al. 2012), in den Niederlanden seit 1983 (FLORON 2021), in Frankreich (INPN 2021), in Großbritannien seit 1887 (Seebens & al. 2017), seit 1894 in Tschechien (Pyšek & al. 2012), in der Slowakei seit 1865 (Medvecká & al. 2012), in Slowenien seit 1900 (Seebens & al. 2017), in Albanien seit 1896 (Seebens & al. 2017), auf Korsika seit 1897 (Seebens & al. 2017), in Litauen seit 1946 (Seebens & al. 2017), in Polen seit 1881 (Seebens & al. 2017)

Quellen:

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